Neun Prozent der Unternehmen in Deutschland wurden Opfer von Spionage.

Neun Prozent der Unternehmen in Deutschland wurden Opfer von Spionage.

Referenz

Dieser Bericht basiert auf dem IAB-Kurzbericht „Neun Prozent der Betriebe werden ausgespäht“/„Nine percent of businesses fall victim to espionage“.


IAB Kurzbericht

In Kürze
  • Industrie- und Wirtschaftsspionage sind schwerwiegende Probleme, die zu erheblichen finanziellen Schäden führen können – nicht nur für die direkt betroffenen Unternehmen, sondern für die gesamte Wirtschaft.
  • Neue Umfragedaten des IAB zeigen, dass 9 Prozent aller Unternehmen in Deutschland in den letzten fünf Jahren Opfer eines Spionageangriffs geworden sind. Weitere 3 Prozent melden lediglich einen Verdachtsfall.
  • Mehr als die Hälfte aller Verdachtsfälle betrafen Hackerangriffe auf IT-Systeme, während dieser Anteil bei den bestätigten Angriffen fast zwei Drittel betrug.
  • Bei mehr als einem Fünftel der betroffenen Unternehmen wurden Daten gestohlen.
  • Sowohl vermutete als auch bestätigte Fälle von Spionage waren besonders häufig im Informations- und Kommunikationssektor sowie im Großhandel anzutreffen.
  • Innovative und exportorientierte Unternehmen in wettbewerbsintensiven Märkten waren besonders von Industrie- oder Wirtschaftsspionage betroffen.

Industrie- und Wirtschaftsspionage – also der unbefugte Zugriff auf Unternehmensinformationen durch konkurrierende Unternehmen oder Nachrichtendienste – wird von Unternehmen als wachsende Bedrohung angesehen. Zum ersten Mal liegen nun repräsentative Daten aus dem IAB-Betriebserhebungs-Panel 2023 zu diesem Thema für Deutschland vor. Sie zeigen, dass rund 9 Prozent der Unternehmen – über alle Branchen und Unternehmensgrößen hinweg – angeben, von Industrie- oder Wirtschaftsspionage betroffen zu sein, weitere 3 Prozent melden lediglich einen vermuteten Angriff.

Abbildung A1: Industrie- oder Wirtschaftsspionage betrifft etwa jedes zehnte Unternehmen.

Diese Formen der Spionage (siehe Infobox 1) sind kein neues Phänomen; Belege dafür finden sich bereits in der Antike und im Mittelalter (Norwich 1990; Ben-Atar 2004). Es wird davon ausgegangen, dass Industrie- und Wirtschaftsspionage heute in vielen Industrie- und Schwellenländern weit verbreitet sind, und es gibt Anzeichen dafür, dass diese Aktivitäten derzeit zunehmen: Die Mehrheit der Unternehmen in Deutschland stuft die Bedrohung durch Industriespionage (im weitesten Sinne) als hoch oder sehr hoch ein und geht davon aus, dass sie in Zukunft weiter zunehmen wird (Bitkom 2023).

Schätzungen zufolge beläuft sich der durch Spionage – im weitesten Sinne – verursachte wirtschaftliche Schaden in den Vereinigten Staaten auf etwa 400 Milliarden Dollar pro Jahr (IP Commission 2017), was etwa 2,1 Prozent des BIP entspricht. Für Deutschland wird der Schaden auf rund 200 Milliarden Euro (Bitkom 2023) geschätzt, was etwa 4,8 Prozent des BIP entspricht. Aufgrund der begrenzten Datenverfügbarkeit und der grundsätzlichen Schwierigkeit, den potenziellen Schaden zu quantifizieren (Kasper 2015), variieren solche Schätzungen jedoch je nach Studie stark.

Info Box 1: Definition

Die Begriffe Wirtschaftsspionage und Industriespionage werden im Alltagssprachgebrauch oft synonym verwendet, beziehen sich jedoch auf unterschiedliche Phänomene: Industriespionage bezeichnet Handlungen einzelner Unternehmen gegen ihre Konkurrenten zu kommerziellen Zwecken, während Wirtschaftsspionage Handlungen im wirtschaftlichen Bereich im Auftrag eines ausländischen Nachrichtendienstes und aus nicht rein kommerziellen Gründen bezeichnet (Nasheri 2005).

China und Russland werden häufig beschuldigt, systematische Wirtschaftsspionage in großem Stil zu betreiben (IP Commission 2021; Verfassungsschutz 2024), aber solche Aktivitäten sollen auch zwischen verbündeten Ländern im Rahmen der allgemeinen Informationsbeschaffung stattfinden. Darauf deuten beispielsweise die Enthüllungen von WikiLeaks aus dem Jahr 2013 über Überwachungsaktivitäten der US-amerikanischen National Security Agency (NSA) in Frankreich, Deutschland und Japan hin (Corporate Trust 2017a).

Militär- und Verteidigungstechnologie ist seit jeher von besonderem Interesse für ausländische Geheimdienste, die Wirtschaftsspionage betreiben. Aber auch andere Bereiche stehen häufig im Fokus, darunter Luft- und Raumfahrt, Hochleistungselektronik, Telekommunikation, Nanotechnologie, Biotechnologie, Energie und Finanzdienstleistungen (Corporate Trust 2017a). All dies sind Sektoren, die eng mit Technologie und Innovation verbunden sind und in denen Geschäftsgeheimnisse von entscheidender Bedeutung sind – was sie auch für kommerzielle Wettbewerber zu besonders attraktiven Zielen für Industriespionage macht.

Trotz ihrer wirtschaftlichen Bedeutung ist Industrie- und Wirtschaftsspionage nach wie vor schwer mit Sicherheit einzuschätzen, da verlässliche Daten rar sind. Ob von Wettbewerbern oder ausländischen Geheimdiensten begangen, viele Angriffe bleiben von den betroffenen Organisationen unentdeckt. Selbst wenn Angriffe entdeckt werden, werden sie oft aus Angst vor Reputationsschäden bei Investoren, Kunden und Mitarbeitern nicht bekannt gegeben (Office of the National Counterintelligence Executive 2011).

Die meisten empirischen Daten zu diesem Thema, die bisher in Deutschland veröffentlicht wurden, stammen aus Studien privater Beratungs- und Sicherheitsunternehmen wie Ernst & Young, KPMG, PricewaterhouseCoopers und Corporate Trust. Ein großes Problem dieser Studien ist – wie in vielen anderen Ländern auch (Europäische Kommission 2018) –, dass sie oft zu klein und nicht repräsentativ sind. In der Regel liegt die Zahl der erfolgreich befragten Unternehmen im niedrigen dreistelligen Bereich, wobei die Rücklaufquote oft unter 10 Prozent liegt (Kasper 2015). Diese begrenzte Evidenzbasis macht es schwierig, fundierte Schlussfolgerungen über Art und Ausmaß der Industrie- und Wirtschaftsspionage zu ziehen.

Um diese Lücke zu schließen und neue Erkenntnisse in diesem komplexen Bereich zu gewinnen, wurde das IAB-Betriebserhebungs-Panel 2023 um ein spezielles Erhebungsmodul zum Thema Industrie- und Wirtschaftsspionage erweitert (siehe Infobox 2). Das Panel umfasst Unternehmen aller Größenordnungen und aus allen Branchen in Deutschland. Dazu gehören auch kleinere Unternehmen – ein großer Vorteil gegenüber früheren Studien.

Neun Prozent der Unternehmen in Deutschland melden Spionageangriffe.

Das IAB-Betriebserhebungs-Panel 2023 fragte, ob in den befragten Unternehmen in den letzten fünf Jahren Verdachtsfälle oder bestätigte Fälle von Spionage aufgetreten sind (siehe Infobox 2). Insgesamt gaben 12 Prozent der Befragten an, dass es einen oder mehrere Verdachtsfälle oder bestätigte Spionagevorfälle gegeben habe, die ihr Unternehmen oder ihre Niederlassung betroffen hätten (siehe Abbildung A1). Diese Betriebe beschäftigen rund 22 Prozent der Erwerbstätigen des Landes.

Info Box 2: The IAB Establishment Panel

Das IAB-Betriebserhebungspanel ist eine repräsentative Arbeitgeberbefragung zu betriebswirtschaftlichen Determinanten der Wirtschaftstätigkeit. Jährlich werden rund 15.000 Unternehmen aller Größenordnungen und Branchen befragt. Die erfasste Grundgesamtheit besteht aus Betrieben mit mindestens einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten. Die Befragung wird seit 1993 in den westdeutschen Bundesländern und seit 1996 in den ostdeutschen Bundesländern durchgeführt. Als umfassender Längsschnittdatensatz dient sie als wichtige Quelle für die Erforschung der Nachfrageseite des Arbeitsmarktes. Im Jahr 2023 lag die Rücklaufquote bei den wiederholt befragten Betrieben bei etwa 70 Prozent und bei den erstmalig befragten Betrieben bei etwa 11 Prozent.

Der Anteil bestätigter Spionageangriffe (8,9 Prozent) liegt leicht über dem Anteil vermuteter Vorfälle (7,3 Prozent)¹. Damit liegen diese Zahlen deutlich unter denen des Bundesverbands Informationstechnologie, Telekommunikation und neue Medien e. V. (Bitkom), der seit 2015 regelmäßig deutsche Unternehmen zum Thema Wirtschaftssicherheit befragt.

In der jüngsten Studie des Bitkom (Bitkom 2024) gaben 81 Prozent der befragten Industrieunternehmen an, in den vorangegangenen zwölf Monaten Opfer von Datendiebstahl, Industriespionage oder Sabotage geworden zu sein. Diese erhebliche Diskrepanz ist zum Teil auf den größeren Umfang der Bitkom-Umfrage zurückzuführen. Darüber hinaus umfasst sie nur Industrieunternehmen mit mindestens zehn Beschäftigten und einem Jahresumsatz von einer Million Euro oder mehr (N = 1.002), was wahrscheinlich zu dem höheren Anteil betroffener Unternehmen beiträgt.

Die Ergebnisse der IAB-Umfrage stimmen eher mit denen der jüngsten Kurzstudie zum Thema Industriespionage überein, die von der internationalen Sicherheitsberatung Corporate Trust durchgeführt wurde. In dieser Umfrage gaben 29,1 Prozent der Unternehmen an, dass sie in den letzten drei Jahren Opfer von Spionage oder anderen Formen des Informationsdiebstahls geworden sind (Corporate Trust 2017b). Auch hier wurden nur Unternehmen mit mindestens zehn Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von mindestens einer Million Euro in die Studie einbezogen (N = 356). Sowohl bei der Bitkom- als auch bei der Corporate Trust-Umfrage kann eine Verzerrung der Auswahl unter den teilnehmenden Unternehmen nicht ausgeschlossen werden.

Fußnote 1: Es ist zu beachten, dass Unternehmen bestätigte und vermutete Angriffe getrennt melden (siehe Infobox 2), wobei viele beide melden. Daher ergeben die Zahlen von 8,9 Prozent und 7,3 Prozent nicht die oben genannte Summe von 12 Prozent. Im Folgenden geben wir die Zahlen für bestätigte und vermutete Angriffe getrennt an.

Hackerangriffe auf IT-Systeme sind die häufigste Form der Spionage.

Spionage kann viele Formen annehmen, aber Hackerangriffe² auf IT-Systeme werden am häufigsten gemeldet: Die Hälfte aller Unternehmen, die Spionagevorfälle vermuten, geben Hackerangriffe an (50,8 Prozent – siehe Tabelle T1 auf Seite 4). Von den Unternehmen, die einen bestätigten Angriff erlebt haben, gaben 61,5 Prozent an, dass es sich um einen Hackerangriff auf IT-Systeme handelte. Das bedeutet, dass 5,5 Prozent aller Unternehmen in Deutschland Hackerangriffe erlebt haben, während 3,7 Prozent einen solchen Verdacht hatten.

Fußnote 2: Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Befragten Ransomware unter „Hackerangriffen auf IT-Systeme” aufgeführt haben, obwohl dies streng genommen keine Spionage darstellt. Ransomware bezeichnet bösartige Software, die den Zugriff auf Daten und Systeme einschränkt oder blockiert und im Gegenzug für die Wiederherstellung des Zugriffs ein Lösegeld verlangt.

Über ein Drittel der Unternehmen mit Verdachtsfällen ging davon aus, dass sensible digitale Daten oder Informationen gestohlen worden waren (36,1 Prozent), was 2,6 Prozent aller Unternehmen in Deutschland entspricht. Unter den von bestätigten Angriffen Betroffenen meldete mehr als ein Fünftel (21,4 Prozent) Datendiebstahl – 1,9 Prozent aller Unternehmen bundesweit. Ob alle diese Fälle als Industrie- oder Wirtschaftsspionage im engeren Sinne zu werten sind, bleibt ungewiss.

Berichte über Abhörmaßnahmen oder Überwachung analoger oder digitaler Kommunikation sind weitaus seltener. Von den Unternehmen mit Verdachtsfällen meldeten 17,3 Prozent mögliche Abhörmaßnahmen; unter den Unternehmen mit bestätigten Vorfällen lag der Anteil bei 9,4 Prozent. Über alle Unternehmen hinweg entspricht dies 1,3 Prozent gemeldeten Verdachtsfällen von Abhörmaßnahmen oder Überwachung und 0,8 Prozent bestätigten Fällen.

Unternehmen sind etwas häufiger von analogem Diebstahl betroffen – von sensiblen physischen Dokumenten, Prototypen, Maschinen oder Komponenten –, äußern jedoch etwas seltener einen entsprechenden Verdacht. Jedes zehnte Unternehmen mit Verdacht auf Spionage glaubt, Opfer eines Diebstahls geworden zu sein, während fast jedes fünfte Unternehmen, das einen bestätigten Angriff erlebt hat, tatsächlich bestohlen wurde. Über alle Unternehmen hinweg vermuteten 1,3 Prozent einen solchen Diebstahl und 1,7 Prozent waren tatsächlich davon betroffen.

Die Kategorie „Sonstiger Verdacht“ ist die dritthäufigste Angabe unter den Unternehmen, die verdächtige Vorfälle melden (31 Prozent – siehe Tabelle T1). Dies deutet darauf hin, dass viele Verdachtsfälle nicht in die vordefinierten Kategorien fallen. Unter den Unternehmen mit bestätigten Angriffen ist der Anteil derjenigen, die „Sonstiger Angriff“ angekreuzt haben, mit 16,8 Prozent deutlich geringer. Die genaue Art dieser Vorfälle bleibt unklar.

Tabelle 1: Art und Weise der vermuteten oder bestätigten Spionage

Über alle Unternehmen hinweg machen „Sonstige Verdachtsfälle oder Angriffe“ 2,3 Prozent (Verdachtsfälle) bzw. 1,5 Prozent (bestätigte Fälle) aus.

Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass Industrie- und Wirtschaftsspionage in erster Linie über digitale Kanäle erfolgt, z. B. in Form von Cyberangriffen oder digitaler Überwachung.

Unternehmen im Informations- und Kommunikationssektor sind am häufigsten betroffen.

Spionage wird am häufigsten im Informations- und Kommunikationssektor gemeldet: 13,7 Prozent der Unternehmen in diesem Bereich melden Verdachtsfälle und 15,5 Prozent bestätigte Angriffe (siehe Abbildung A2 auf Seite 5). Verdachtsfälle und bestätigte Vorfälle sind auch im Großhandel, im Kraftfahrzeughandel und in der Kfz-Reparatur (11 Prozent Verdachtsfälle, 13,1 Prozent bestätigte Vorfälle) sowie bei Vertretungsorganen oder Wirtschaftsverbänden (jeweils rund 11 Prozent) häufig.

Überdurchschnittlich hohe Raten bestätigter Angriffe finden sich auch im Transport- und Logistikbereich (14 Prozent), in der öffentlichen Verwaltung (12,1 Prozent) sowie bei Finanz- und Versicherungsdienstleistungen (10,7 Prozent). Im verarbeitenden Gewerbe gibt es mit 9,2 bzw. 9,0 Prozent fast gleich viele Verdachtsfälle wie bestätigte Fälle.

Grundsätzlich scheint kein Sektor vollständig immun gegen Industrie- und Wirtschaftsspionage zu sein. Bemerkenswert ist, dass nicht nur das verarbeitende Gewerbe betroffen ist, sondern auch viele Dienstleistungs- und öffentliche Einrichtungen ins Visier genommen werden. Dies deckt sich mit den Ergebnissen von Bitkom, die ebenfalls Spionage, Sabotage und Datendiebstahl in allen Branchen belegen.

Die Größe des Unternehmens ist ein Faktor

Neben der Branche hat auch die Unternehmensgröße einen erheblichen Einfluss auf die Anfälligkeit für Spionage. Kleinstunternehmen mit bis zu neun Mitarbeitern melden weniger mutmaßliche Angriffe (6,3 Prozent) und bestätigte Angriffe (7,3 Prozent), während fast jedes fünfte Großunternehmen (mit mehr als 200 Mitarbeitern) tatsächlich einen Angriff erlebt hat (19,9 Prozent) oder zumindest einen vermutet (17,7 Prozent – siehe Abbildung A2). Im Allgemeinen gilt: Je größer das Unternehmen, desto höher das Risiko, zum Ziel zu werden.

Abbildung A2: Von Spionage betroffene Unternehmen

Innovative, exportorientierte und forschungsorientierte Unternehmen in wettbewerbsintensiven Märkten sind besonders betroffen.

Nicht alle Unternehmen sind gleichermaßen von Spionageaktivitäten betroffen. Es ist davon auszugehen, dass Spionage vor allem dann stattfindet, wenn das Ziel einen strategischen Wettbewerbsvorteil bietet. Dies gilt insbesondere für forschungsorientierte und innovative Unternehmen, die in wettbewerbsintensiven Umfeldern tätig sind. Unter den Unternehmen, die in Forschung und Entwicklung tätig sind, gaben 17,8 Prozent an, einen Spionageverdacht zu haben, und 22 Prozent gaben an, bestätigte Angriffe erlebt zu haben – deutlich mehr als bei Nicht-F&E-Unternehmen (6,8 Prozent bzw. 8,3 Prozent – siehe Tabelle T2 auf Seite 6).

Auch exportierende Unternehmen sind stärker von Spionageaktivitäten betroffen: 12,2 Prozent gaben an, Verdachtsfälle von Spionage gemeldet zu haben, während es bei Nicht-Exporteuren nur etwa halb so viele waren. Bestätigte Angriffe wurden von 14,4 Prozent der Exporteure gemeldet, gegenüber nur 7,9 Prozent der Nicht-Exporteure. Dies ist plausibel, da Exporteure in der Regel produktiver und innovativer sind und daher attraktivere Ziele für Spionage darstellen.

Eine wichtige Erkenntnis ist, dass innovative Unternehmen deutlich häufiger ins Visier genommen werden. So meldeten 13,5 Prozent der Unternehmen mit Produktinnovationen3 Angriffe, gegenüber 5,7 Prozent der Unternehmen ohne Produktinnovationen. Noch deutlicher sind die Unterschiede bei Prozessinnovationen4: Sowohl vermutete als auch bestätigte Angriffe sind bei innovativen Unternehmen mehr als doppelt so häufig (14,2 gegenüber 6,4 Prozent und 16,7 gegenüber 7,7 Prozent).

Fußnote 3: Unternehmen gelten als innovativ, wenn sie Produkt- oder Prozessinnovationen eingeführt haben. Hat ein Unternehmen im vorangegangenen Geschäftsjahr ein zuvor angebotenes Produkt oder eine zuvor angebotene Dienstleistung verbessert oder weiterentwickelt, ein bereits auf dem Markt erhältliches Produkt oder eine bereits auf dem Markt erhältliche Dienstleistung in sein Sortiment aufgenommen oder ein völlig neues Produkt oder eine völlig neue Dienstleistung eingeführt, für die ein neuer Markt geschaffen werden musste, so gilt es als produktinnovativ.

Fußnote 4: Unternehmen, die neue Prozesse entwickelt oder eingeführt haben, die die Produktionsabläufe oder die Erbringung von Dienstleistungen erheblich verbessern, gelten als prozessinnovativ.

Unternehmen, die einem erheblichen Wettbewerbsdruck ausgesetzt sind, sind ebenfalls häufiger betroffen (siehe Tabelle T2). Mit zunehmendem Wettbewerb steigt auch der Anteil der Unternehmen, die mutmaßliche Vorfälle oder tatsächliche Angriffe melden. Unter den Unternehmen, die unter erheblichem Druck stehen, waren 12,6 Prozent von Angriffen betroffen – mehr als doppelt so viele wie unter denen, die keinem Druck ausgesetzt sind (5,7 Prozent). Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass in wettbewerbsintensiven Märkten der Anreiz für Industriespionage größer ist, da sie wichtige Erkenntnisse liefern kann, die Unternehmen helfen, zu überleben oder zu den Marktführern aufzuschließen.

Tabelle T2: Verdacht auf Spionage und Angriffe nach Geschäftskriterien

Diese Ergebnisse sind ein klarer Hinweis darauf, dass Industrie- und Wirtschaftsspionage strategisch ausgerichtet ist und insbesondere technologisch fortschrittliche Unternehmen im internationalen Wettbewerb ins Visier nimmt.

IT-Abteilungen sind am häufigsten betroffen

In den betroffenen Unternehmen sind nicht alle Abteilungen gleichermaßen betroffen. Am häufigsten genannt werden die IT-Abteilung und der IT-Service (41,8 Prozent – siehe Abbildung A3). Fast ein Drittel (32,7 Prozent) berichtet von Angriffen auf die Geschäftsleitung. An dritter Stelle wurde die Kategorie „Sonstige Abteilungen“ genannt (30,1 Prozent), gefolgt von Marketing und Vertrieb in einem Viertel der Unternehmen (24,7 Prozent). Weniger häufig betroffen waren die Bereiche Beschaffung (13,3 Prozent) und Personalwesen (9,1 Prozent).

Abbildung A3: Spionageangriffe zielen am häufigsten auf IT-Abteilungen in Unternehmen ab

Forschung und Entwicklung wurde selten genannt (3,8 Prozent), was zum Teil daran liegt, dass nur 5 Prozent aller Unternehmen in diesem Bereich tätig sind. Unter den F&E-Unternehmen gaben jedoch 13,4 Prozent an, dass ihre Forschungsabteilungen ins Visier genommen wurden.


Schlussfolgerung

Industrie- und Wirtschaftsspionage kann sowohl einzelnen Unternehmen als auch der Gesamtwirtschaft erheblichen Schaden zufügen. Trotz ihrer wirtschaftlichen Bedeutung war es bislang schwierig, sich ein verlässliches Bild von diesen Phänomenen zu machen, da keine repräsentativen Daten verfügbar waren.

Das IAB-Betriebserhebungs-Panel 2023 hilft, diese Lücke zu schließen. Die neuen Daten geben einen Überblick über die Verbreitung von Spionage in Deutschland in den letzten Jahren: Insgesamt melden 12 Prozent der Unternehmen vermutete oder bestätigte Angriffe. Die meisten Vorfälle sind digitaler Natur – Cyberangriffe oder digitale Überwachung. Das tatsächliche Ausmaß dürfte jedoch viel größer sein, da viele Unternehmen möglicherweise nicht wissen, dass sie Ziel von Spionage geworden sind.

Nicht alle Unternehmen sind gleichermaßen betroffen: Große Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern sind weitaus häufiger Opfer von Industrie- und Wirtschaftsspionage. Darüber hinaus sind innovative Unternehmen, die unter Wettbewerbsdruck stehen, ebenfalls häufiger Ziel von Angriffen. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass in hart umkämpften Märkten die Konkurrenten einen größeren Anreiz haben, sich an Industrie- und Wirtschaftsspionage zu beteiligen, da sie dadurch wichtige Erkenntnisse gewinnen können, die ihnen helfen, zu überleben oder zu den Marktführern aufzuschließen. Die Ergebnisse zeigen, dass Industrie- und Wirtschaftsspionage nicht nur weit verbreitet ist, sondern auch strategisch ausgerichtet ist.

Angesichts der zunehmenden geopolitischen Spannungen und durch rasante Fortschritte in Bereichen wie KI, Bioingenieurwesen, Robotik und Nanotechnologie dürften die Anreize für Industrie- und Wirtschaftsspionage zunehmen. Für den Wirtschaftsstandort Deutschland wird es in Zukunft noch wichtiger werden, die Entwicklungen in diesem Bereich zu beobachten und wirksame Gegenmaßnahmen zu ergreifen, um Schäden für die Gesamtwirtschaft zu begrenzen.

 
Literatur

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